
10 Gedanken zu den 10 Top Wanderungen, die man unbedingt machen sollte
Das Netz ist voll mit Hitlisten wie „10 Tracks in Neuseeland die Du gemacht haben musst“ oder „Die 10 schönsten Wanderungen ...“. Was ich von solchen Hitlisten halte, hier meine Gedanken dazu:
14.000 Kilometer lassen sich schwer auf 10 Wanderrouten verkürzen.
Am Beispiel Neuseeland wird besonders deutlich, wie schwer oder gar unmöglich es oft ist, eine Auswahl an Wanderwegen zu finden, die der unglaublichen Vielfalt der Wanderregionen überhaupt gerecht werden kann. Das merkte ich auch bei meinen Recherchearbeiten meiner zwei neuen Neuseeland-Wanderführer für den Conrad Stein Verlag (Veröffentlichung Herbst 2019). 22 bzw. 27 Tageswanderungen oder Overnight-Trips, und dabei eine gute Mischung zu treffen - das gleicht der Quadratur des Kreises.
Sport, Abenteuer oder Freiheit?
Jeder hat andere Vorstellungen davon, wie eine perfekte Wandertour sein sollte. Der eine wünscht sich atemberaubende Panoramablicke, ein anderer kann bei einer Wanderung durch den Regenwald richtig runterfahren. Der nächste will sich einfach mal richtig auspowern und geht gerne an seine Grenzen. Wir sind alle individuelle Wesen und doch treffen sich gefühlte 95 Prozent auf den gleichen Routen, was mich zum nächsten Punkt bringt.
Ameisenstraßen!
Das Internet verstärkt Trends und das ist meiner Meinung nach gerade auch bei der Wahl der Wanderwege so. Wenn ein Track viele Wanderer anzieht (wie z.B. der Tongariro Alpine Crossing in Neuseeland mit bis zu 2.000 Wanderern pro Tag), dann gibt es auch viele Berichte, Fotos und Videos im Netz darüber. Folglich werden logischerweise bei der Suche nach geeigneten Wanderungen die bekannten Tracks viel häufiger aufgefunden. Das Ergebnis sind „Ameisenstraßen“ – obwohl manchmal unmittelbar nebenan ähnlich schöne Wege zum Wandern einladen, mit einem Bruchteil anzutreffender Wandersleute. Diese Tracks sind natürlich viel schwerer zu finden und Infos dazu häufig in den Tiefen des Internets versteckt (oder schwirren in meinem Kopf herum).
Die rosarote Brille der Reiseverliebten.
Wer gibt schon gerne zu, dass die eine oder andere Entscheidung bei der Reiseplanung doch nicht die Richtige war. Negative Aspekte werden weniger stark bewertet als die positiven Erlebnisse. Eine tolle Sache, dieser „Confirmation Bias“ – und das meine ich nicht ironisch. Blöd nur, dass dann auch die Warnungen an die Nachfolgenden ausbleiben. Um am Beispiel Tongariro Alpine Crossing zu bleiben – vielleicht würden sich ja einige trotz der spektakulären Landschaft gegen die Tageswanderung entscheiden, wüssten sie wie geschäftig es dort zugehen kann und hätten alle Fakten vorher auf dem Tisch gehabt.
Plagiate, Plagiate.
Manchmal sieht man Listen von Wandervorschlägen, die einfach nur irgendwo abgekupfert wurden. Beiträge werden gelegentlich nur geschrieben, um die Sichtbarkeit im Internet zu erhöhen und nicht um dem Leser einen Mehrwert zu liefern.
Erfahrung und Fitness.
Wer fit ist wie ein Turnschuh, dem macht natürlich eine Besteigung zum Gipfel mit 1.000 Metern Höhenunterschied richtig viel Spaß. Für den Ungeübten wird es bestenfalls etwas unangenehm oder gar zu Tort(o)ur. Manche Tracks verlangen eine gewisse Erfahrung und sind für Einsteiger ungeeignet. In der Wildnis Neuseelands gibt es jedes Jahr mehrere hundert Such- und Rettungseinsätze, oft weil die Wanderer den Anforderungen der Tracks nicht gewachsen sind oder schlichtweg – aus mangelnder Erfahrung – unvorbereitet starten.
Manager oder Backpacker?
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines deutschen Neuseelandreisenden ist 50 Tage. Verdammt lange, mag manch einer denken. Es sind vor allem die jungen Backpacker mit Working-Holiday Visum, die mit ihren monatelangen Aufenthalten die durchschnittliche Reisedauer nach oben treiben. Denn immerhin die Hälfte der deutschen Besucher kann oder möchte max. 3 bis 4 Wochen unterwegs sein (Median liegt bei 24 Tagen). Verständlich, dass bei solch relativ „kurzer“ Dauer die Auswahl der Wanderwege umso schwieriger ist. Einen „Ausrutscher“ kann und will sich nur der Backpacker leisten.
Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Was mich persönlich tatsächlich wurmt, sind leichtfertige Sätze wie „Warum der Kepler Track der schönste Great Walk Neuseelands ist“. Nur wenn jemand die meisten der Alternativen kennt, dann können sinnvoll Vergleiche gezogen oder Rankings erstellt werden. Nur Wenige haben einen so guten Gesamtüberblick, um fundiert solche Einschätzungen zu treffen. Zugegeben, auch ich habe nicht alle Wanderungen in Neuseeland gemacht (auch nicht in meinen beiden anderen Lieblings-Wanderecken der Welt Patagonien und Lappland). Das geht auch gar nicht, dazu reicht mein Leben nicht aus (es sei denn ich steige sofort aus und wandere ab heute nur noch, was natürlich genial wäre). Seit mehreren Jahren beschäftige ich mich hauptberuflich mit dem Thema Wandern in den Traumregionen und bereise die Gebiete intensiv und habe sie auch vorher schon besucht. Und welch Wander-Juwelen teilweise sinnbildlich am Wegesrand versteckt sind, da verschlägt es mir manchmal die Sprache.
Nichts muss, alles kann.
Niemand sollte einem einreden, man müsste irgendwas sehen, sonst sei die Reise unvollständig. Wer mit so viel Erwartungsdruck in einer unsäglichen Hetzerei durchs Land rauscht, hat zwar viel gesehen, aber nichts erlebt. Mit Mut zur Lücke und auch mal abseits der ausgetretenen Pfade stehen die Chancen hoch, dass man mit unvergesslichen Momenten belohnt wird.
Wertvolle Impulse.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden, ich bin nicht grundsätzlich gegen Wander-Hitlisten. Sie können wundervolle Impulse für die Reisevorbereitung geben und lassen die Vorfreude auf das Abenteuer steigen. Mit den Schwachstellen im Hinterkopf kann man jedoch die Eignung der Tracks für die eigenen Bedürfnisse besser einschätzen. Wer Unterstützung bei der Auswahl der Wanderwege und Reiseroute benötigt, dem bin ich gerne dabei behilflich.
Oder man schaut mal in meine neuen Wanderführer rein. Sind das vielleicht die schönsten Wanderungen Neuseelands ;-) ?
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Herbst 2019 ist es soweit: Meine beiden Wanderführer zur Nord- und Südinsel kommen in den Handel. Bis dahin heißt es noch etwas Geduld. Gerne nehme ich natürlich bereits Vorbestellungen an.